Amélies erfolgreiche OP im Mutterleib
Operation wegen eines offenen Rückens

Schock für die damals schwangere Manuela Hui aus der Schweiz: In der 17. Schwangerschaftswoche stellten die Ärzte bei ihrem Baby die schwere Krankheit Spina bifida, umgangssprachlich „offener Rücken", fest. Bei 90% solcher Diagnosen kommt es zur Abtreibung. Doch Amélies Mutter entschied sich für eine vorgeburtliche Operation.
Wenn man es nicht wüsste, würde man die 10-jährige Amélie für ein ganz normales, kerngesundes Mädchen halten, zumindest auf den ersten Blick: Die quirlige Schweizerin geht für ihr Leben gerne reiten, hat viele Freundinnen und träumt davon, Lehrerin oder Bäuerin zu werden.
Bei Spina bifida handelt es sich um eine Krankheit, bei der die Wirbelsäule fehlgebildet ist, weshalb das Rückenmark an der jeweiligen Stelle nicht ausreichend geschützt ist. Der Grad der Beeinträchtigung ist sehr individuell.
Eine Abtreibung kam für Manuela Hui und ihren Mann nach anfänglichem Schock gar nicht in Frage, und das aus gutem Grund: Denn seit einigen Jahren gab es die Möglichkeit, die Babys bereits vor der Geburt im Mutterleib zu operieren. Dadurch können sie zwar nicht vollständig geheilt werden, doch ist der Grad der Behinderung in der Regel viel geringer. Manuela Hui und ihr Mann mussten nicht lange überlegen, schnell war klar, dass sie diesen Weg gehen würden, denn sie „wollten Amélie die bestmöglichen Chancen ermöglichen".
Dennoch war der operative Eingriff nicht ungefährlich. Im Zürcher Universitäts-Spital, wo der offene Rücken im Mutterleib verschlossen wurde, war Amélie damals gerade einmal das 13. Baby, an dem dieser operative Eingriff vorgenommen wurde. Außerdem bleibt für diese Operation nur ein geringes Zeitfenster, da andernfalls das Rückenmark durch den immer geringeren Platz im Bauch der Mutter und das immer schädlichere Fruchtwasser zu sehr beschädigt wird. Amélie wurde in der 25. Schwangerschaftswoche operiert.
Die Schwangerschaft ging dann ganz normal, wie jede andere auch, weiter. Damit Amélie nicht zu früh auf die Welt kam, erhielt Manuela Hui Medikamente zur Wehenhemmung, denn für das Baby „ist das größte Risiko bei diesem Eingriff eine Frühgeburt", so Ueli Möhrlen, Direktor der Chirurgie im Zürcher Kinderspital. Er und sein Vorgänger riefen dort im Jahr 2010 das Programm für Kinder mit Spina bifida ins Leben. Heute zählt dieses Spital europaweit zu den renommiertesten Zentren für derart komplexe Eingriffe.
Komplex, da „wir zwei Menschen gleichzeitig operieren", wie Möhrlen berichtet. Beide – Mutter und Kind – dürfen dabei keinen Moment aus den Augen gelassen werden. Von den bisher 230 operierten Babys haben glücklicherweise alle bis auf zwei die Operation überlebt. Das eine starb direkt nach der Geburt, das andere bereits einige Tage nach der Operation. Doch natürlich ist jedes Leben kostbar, weshalb „die Kinder, die wir verloren haben, uns bleiben", gesteht Kinderchirurg Möhrlen. Glücklicherweise liege die Sterblichkeit bei weniger als einem Prozent.
Die ältesten der in dem Zürcher Kinderhospital operierten Kinder sind mittlerweile Teenager, denen es alles in allem sehr gut gehe, erzählt Möhrlen. Obwohl man „den Kindern nicht alle Probleme abnehmen" könne, lasse sich ihre Lebensqualität „mit der Operation deutlich verbessern", so Möhrlen.
Glücklicherweise sind durch die Errungenschaften der modernen Medizin die meisten Einschränkungen hinfällig, wie auch bei der heute zehnjährigen Amélie, die in der 37. Schwangerschaftswoche via Kaiserschnitt das Licht der Welt erblickte.
Für eine Reportage mit dem Zofinger Tagblatt öffnet Amélie ein dickes Fotoalbum und zeigt auf ein Foto von sich als Neugeborene: „Guck, hier sieht man meine Narbe am Rücken, als ich zur Welt gekommen bin."
Zwar fällt es Amélie schwer, längere Strecken am Stück zu Fuß zurückzulegen, weshalb sie auf einen Rollstuhl angewiesen ist, doch mittlerweile nimmt sie die Situation mit Humor und sagt stolz zu ihrer Mutter, sie habe „sehr viel Kraft in meinen Armen" und fordert sie heraus, „meinen Arm runterzudrücken!"
Abgesehen von den körperlichen Einschränkungen ist Amélie in der Schule gut integriert und hat auch Freundinnen. „Wir hatten ein riesiges Glück, dass die Inklusion so gut funktionierte", freut sich ihre Mutter Manuela, obgleich es auch immer wieder Tiefpunkte gab, wenn Amélie im Alltag aufgrund der körperliche Schwierigkeiten nicht zurechtkam oder sie bei bestimmten Aktivitäten in der Schule nicht mitmachen durfte.
Nichtsdestotrotz macht das Mädchen das Beste aus ihrer Situation, hadert nicht mit ihrem Schicksal und möchte auch als Erwachsene ein möglichst normales Leben führen, von zu Hause ausziehen und einen Beruf ergreifen, auf ihrer Wunschliste: Bäuerin oder Lehrerin.
Der Fall Amélie macht Mut und zeigt, dass die Argumente, die für eine Abtreibung bei einer diagnostizierten Spina bifida sprachen, dank der modernen Medizin obsolet sind. Zwar hat das Mädchen auch heute noch mit gewissen Einschränkungen zu kämpfen, aber sie ändern nichts an der Schönheit des Lebens und an der Dankbarkeit, daran teilzuhaben.
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