„Lass dich überzeugen, dass wir es abtreiben!“
Dokumentation einer 1000plus-Beratung
Die meisten Frauen im Schwangerschaftskonflikt haben bei ihrem ersten Anruf auf der kostenlosen Hotline von Pro Femina den Glauben daran, dass es einen guten Ausweg geben könnte, bereits verloren. So auch Kathrin, die sich erkundigt, ob die Krankenkasse die Kosten für eine Abtreibung übernimmt. Durch behutsames Nachfragen versucht die Beraterin mehr über Kathrins Situation und ihre Beweggründe zu erfahren. Es gelingt: Kathrin lässt sich auf das Gespräch ein.
Kathrin ist 28 Jahre alt und in der 6. Woche schwanger. „Die Schwangerschaft ist völlig ungeplant! Mein Freund und ich haben uns das gründlich überlegt, es passt jetzt gerade überhaupt nicht. Ich möchte erstmal mehr Berufserfahrung sammeln, wir wollen erst eine Wohnung kaufen. Kinder sind dann frühestens ab Ende nächsten Jahres geplant.“
Es wird deutlich, dass Kathrin und ihr Freund Moritz beide große Angst haben, da ihre Lebensplanung nun vollkommen durcheinander geworfen wurden. Moritz, der die Anzeige von Pro Femina im Internet gesehen hat, lässt Kathrin vor dem Anruf mit den Worten: „Lass dich überzeugen, dass wir es abtreiben!“, allein. „Wie ist es Ihnen mit dieser Aussage gegangen?“, fragt die Beraterin nach. „Ich wünsche mir, dass alles gut wird. Ich war immer gegen Abtreibung, aber jetzt... Moritz sagt, wir müssen mit Kalkül an die Sache rangehen. Er fühlt sich noch nicht bereit, deshalb ist es für ihn der absolut falsche Zeitpunkt.“ Kathrin seufzt. „Ich bin völlig überfordert mit der Situation, die ständigen Diskussionen und Streitereien mit Moritz belasten mich.
Ich habe Angst ihn zu verlieren. Am besten bringe ich es einfach hinter mich, dann muss ich mir keine Gedanken mehr machen und es ist, als wäre nichts geschehen.“ Je mehr Kathrin erzählt, umso deutlicher wird, dass Moritz sie unter enormen Druck setzt und der jungen Frau den Mut und die Hoffnung nimmt, sodass sie den Wunsch nach ihrem Kind nicht zulassen kann. Kathrin und die Beraterin beschließen, gemeinsam mit Moritz ein Gespräch zu führen, um mehr über die Gründe für seine abweisende Haltung zu erfahren.
Zwei Tage später ist Moritz bereit, mit der Beraterin zu reden. Der junge Mann spricht während des Telefonats davon, dass er sich bewusst ist, dass ein Kind viel Verantwortung bedeutet und dass ein gemeinsames Kind auch heißt, sich für immer an Kathrin zu binden. Seine neue Arbeitskollegin gehe ihm aber nicht mehr aus dem Kopf, vielleicht nur eine Art Torschlusspanik. Deshalb will er zuerst intensiv über seine Beziehung zu Kathrin nachdenken und dann vielleicht „ein Kind planen“.
Nach diesem Gespräch möchte die Beraterin allein mit Kathrin sprechen. Die junge Frau ist enttäuscht und wütend. Sie hatte sich gewünscht, dass ihr Freund sich doch für eine gemeinsame Zukunft mit dem Kind entscheidet und damit auch ernsthaft zu ihr steht. Die Beraterin beruhigt Kathrin und möchte mit ihr eine neue Sichtweise entwickeln. „Kathrin, ich verstehe, dass Sie verletzt sind und Angst haben. Sie waren sich sicher, dass Moritz und Sie eine gemeinsame Zukunft haben werden.“ „Das passt gar nicht zu ihm.
Er war immer mein ‚Fels in der Brandung’, hat mich beschützt, zusammen haben wir alles geschafft“, antwortet Kathrin aufgeregt. „Glauben Sie, dass eine Abtreibung Ihre Beziehung wieder in Ordnung bringen kann, dass Ihr Freund dann wieder zu Ihrem ‚Fels in der Brandung’ wird?“ Kathrin muss einen Moment nachdenken, bis sie antwortet: „So habe ich das noch nie gesehen. Wahrscheinlich würde sich nichts an unserer Beziehung verbessern, wenn ich Moritz zuliebe abtreibe. Aber ich wäre, glaube ich, nicht mehr die Gleiche - mich würde es innerlich zerreißen und ich würde es bitter bereuen. Ich würde ihm immer unterschwellig vorwerfen, dass er mich im Stich gelassen hat.“
Die Beraterin weiß: Was Kathrin jetzt braucht, sind Sicherheit, Hoffnung, Mut und vor allem wirkliche Unterstützung. Sie benötigt die Gewissheit, dass jemand fest an ihrer Seite steht. Gemeinsam mit Kathrin beginnt die Beraterin Schritt für Schritt darüber nachzudenken, was notwendig ist, damit Kathrin ein klares Ja zu ihrem Kind finden kann. Kathrin möchte ihrer Schwester von der Schwangerschaft erzählen, sie ist sich sicher, dass diese sich sehr freuen und für sie da sein wird. Auch mit der Beraterin will sie weiterhin telefonieren. Die junge Frau weiß, dass sie neben der Beratung auch mit konkreter Hilfe von Pro Femina rechnen kann, wenn sie etwa Unterstützung bei der Suche nach einer neuen Wohnung für sich und das Kind oder finanzielle Hilfe benötigt.
Am nächsten Tag meldet sich Kathrin erneut bei der Beraterin: „Ich werde mein Kind bekommen!“ „Herzlichen Glückwunsch“, gratuliert ihr die Beraterin. „Ich habe nachgedacht und mir alles noch mal durch den Kopf gehen lassen“, erzählt Kathrin. „Dann habe ich Moritz mit den Worten konfrontiert: ‚Ich behalte es!’, woraufhin er völlig überraschend korrigierte: ‚Nein. Wir behalten es!’ Er sagte, ihm ist bewusst geworden, dass seine Argumente egoistisch waren, er will jetzt für das Kind und mich da sein und er will alles wieder gutmachen. Können Sie sich vorstellen, was der Grund dafür ist?“ „Es könnte sein, dass Moritz Ihre feste Überzeugung und Sicherheit, Ihr Ja zu der Beziehung und dem Kind gebraucht hat. So konnte er vielleicht selbst den Mut finden, sich für das Kind zu entscheiden. Vielleicht will er wieder Verantwortung tragen, ‚der Fels in der Brandung’ sein. Wie geht es Ihnen damit?“, fragt die Beraterin nach.
„Ich freue mich riesig über seine Entscheidung und wünsche mir, dass Moritz wirklich zu dem Kind und mir steht. Noch kann ich mir nicht ganz sicher sein, aber meine Schwester weicht gerade kaum noch von meiner Seite.“ Kathrins Stimme ist ein einziges Lächeln. „Aber vor allem bin ich sehr froh, dass ich den Mut hatte, mich für das Baby zu entscheiden.“
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