Psychiatrie-Emeritus fordert Ausbau von Suizidprophylaxe und Palliativmedizin
„Der Lebensschutz der Sterbewilligen bleibt dabei auf der Strecke“
WITTEN - Der Psychiatrie-Professor Karl Beine hat in der aktuellen Debatte um Sterbehilfe eine Überbetonung des individuellen Selbstbestimmungsrechts beklagt, wie das Portal meine-kirchenzeitung.de berichtet.
„Der Lebensschutz der Sterbewilligen bleibt dabei auf der Strecke“, sagte der emeritierte Professor für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universität Witten/Herdecke (Nordrhein-Westfalen).
Eine gesetzliche Regelung der Suizidbeihilfe müsse sicherstellen, dass zwei unabhängige Gutachter zu unterschiedlichen Zeitpunkten frei von finanziellen Anreizen feststellen, dass ein Sterbewilliger seine Entscheidung zur Selbsttötung freiverantwortlich getroffen habe, forderte Beine.
Grundlegend für den Wunsch, sich das Leben zu nehmen, sei der Wille, einen gegenwärtigen oder in der Zukunft befürchteten Zustand nicht erleben zu müssen, erklärte der Psychiater.
Das eigene Leben werde nicht mehr als lebenswert empfunden. Häufig verwendete Vokabeln wie „Überalterung“, „Rentnerschwemme“, „Kostenexplosion im Gesundheitswesen“ oder „Pflegenotstand“ seien nicht dazu angetan, den Lebensmut gefährdeter Menschen zu stärken.
Beine kritisiert ein Missverhältnis. Die bewusste Vorverlegung des Todeszeitpunkts werde in der öffentlichen Diskussion „als Ausdruck höchster Selbstbestimmung in Freiheit glorifiziert“, sagte er.
Er kritisierte den Begriff des „Freitods“, dieser sei ein Euphemismus ähnlich wie das Reden vom „selbstbestimmten Sterben“. „Selbsttötungen – allein oder mithilfe anderer – wird so der Weg in die Normalität gebahnt“, warnte der Emeritus.
Die Palliativmedizin flächendeckend auszubauen, die Versorgung mit Hospizen ausreichend zu machen, für ältere Menschen verbesserte Alltagsassistenzen in ihrer gewohnten Umgebung bereitzustellen und mehr Suizidprophylaxe seien Grundvoraussetzungen für freie Entscheidungen, empfahl der Psychiatrie-Professor.
Mehr zu diesem Thema
-
Assistierte Selbstmorde: Immer mehr lassen Hand an sich legen
„Sterbehilfe"
Weiterlesen über Assistierte Selbstmorde: Immer mehr lassen Hand an sich legen
-
„Wir müssen Bescheid wissen, um mitreden und entscheiden zu können“
Vortragsabend in München
Weiterlesen über „Wir müssen Bescheid wissen, um mitreden und entscheiden zu können“
-
Bluttests auf Down-Syndrom: Kritik an massenhafter Nutzung
„Selektion durch die Hintertür“
Weiterlesen über Bluttests auf Down-Syndrom: Kritik an massenhafter Nutzung
Hinterlassen Sie Ihre Meinung
Kommentare
Bisher keine Kommentare